Samstag, 28. Januar 2012

Vom “Besuchen und besucht werden”

 

CIMG2866 (1024x768)Der Monat Januar trägt für uns den Titel: Besuchen und besucht werden. Denn von 19.1-21.1.2012 haben wir Besuch von unserer lieben Malathi, Mentorin der Mentoren, bekommen. Nach unserem letzten Treffen im November haben wir uns sehr über ihren Besuch gefreut und konnten ausgiebig mit ihr reden und ihr unser Projekt zeigen: Während ihres Aufenthalts waren wir teilweise in Pondicherry, teilweise in Kattumannar Koil, um ihr alle Bereiche unserer Arbeit zu zeigen. Nach verschiedenen Gesprächen mit unserem Director Sir, unseren lieben Mentorinnen Jeeva und Vijaya und auch mit uns selbst, hat Malathi feststellen können, dass alle sehr zufrieden mit dem Programm der KKS sind, weshalb wir uns an dieser Stelle bei ihr bedanken wollen:

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Dear Malathi, we really enjoyed the good time with you and will never forget the nice time we had together. You are one of the most impressive persons we’ve ever met because you are always in a good mood and you make people happy (especially when you joke with our Director Sir!).

We thank you for your support and hope to meet you again in future! Big hugs from Pondicherry

 

Nachdem Malathi am Samstag, den 21.01.2012 wieder zurück nach Coimbatore gefahren ist, haben wir auch wir die Reise dorthin angetreten. Denn für uns stand der “Interprojectvisit” auf dem Plan. Aber was ist das eigentlich? Unsere Organisation, die KKS, ermöglicht jedem Tandem einen Besuch in einer anderen NGO, damit man verschiedene Einblicke in die Entwicklungsarbeit bekommt und unterschiedliche Projekte kennenlernt.

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Wir sind nach Coimbatore zu Mona und Lena, zur Organisation NMCT gefahren. Denn die Arbeit der beiden unterscheidet sich sehr von unseren Aufgaben, da sie im Gegensatz zu uns nicht nur Englischlehrerinnen, sondern hauptsächlich “Sisters” sind. Das bedeutet, dass sie in ihrem Projekt mit 29 Mädchen zusammen wohnen, deren Familien teilweise von HIV betroffen sind. Im Abhaya Student Shelter können sie besser betreut werden und haben seit vier Jahren jedes Jahr zwei deutsche Schwestern. Zu den Hauptaufgaben von Mona und Lena zählt natürlich die Unterstützung im Alltag, aber auch die “Cycling class”, wo die Mädchen Fahrrad fahren lernen und natürlich die “Play time”, wo unter anderem begeistert zu “Memories” von David Guetta Stopptanz gemacht wird. Natürlich geben die beiden auch Englischunterricht, aber anders als bei uns zählt vor allem, dass sie die Kinder in ihrem normalen Alltag unterstützen.

Am Morgen unserer Ankunft um 7 Uhr, wurden wir von verschlafenen Mädchen mit einem herzlichen “Good morning sister, how are you?” begrüßt und wir haben uns gleich sehr wohl gefühlt. Am Nachmittag haben Mona und Lena “Skill building” mit den Mädchen gemacht: sie hatten viele Spangen, Haargummis und Dekoration gekauft um mit den Mädchen neuen Haarschmuck herzustellen. An dieser Stelle müssen wir unseren Freundinnen ein großes Lob aussprechen! Denn trotz großer Unordnung, vielen “Sister”-Rufen und Kleinarbeit mit Nadeln und winzigen Steinen, sind die zwei gelassen geblieben und das Resultat konnte sich wirklich sehen lassen! Die Mädchen haben wunderschönen Haarschmuck gemacht, sodass wir sehr beeindruckt waren.

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Ein weiteres Highlight war der Besuch in einer “Textile factory” in Tirupur, etwa zwei Stunden entfernt von Coimbatore. Dank NMCT hatten wir die Möglichkeit uns eine Fabrik anzuschauen, in der Kleidung für europäische und amerikanische Firmen hergestellt wird. Aber was hat man sich darunter eigentlich vorzustellen?

Eigentlich hatten wir erwartet, dass wir in eine riesige Arbeitshalle kommen würden, wo es stickig und heiß ist, die Menschen stundenlang arbeiten und man vor allem auf Kinderarbeit stößt. Denn es ist kein Geheimnis, dass viele große Konzerne Menschen in Entwicklungsländern ausbeuten und unter schlechtesten Bedingungen arbeiten lassen. Die Realität war, in unserem Fall, zum Glück eine andere:

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Wir haben eine riesige Halle betreten, in der etwa 70 Menschen gearbeitet haben. Das Gebäude wurde vor vier Jahren gebaut, auf dem Dach befanden sich Solarkollektoren, im Inneren liefen Ventilatoren und die Menschen scheinen gute Arbeitsbedingungen zu haben. Nach einigen Unterhaltungen wurde deutlich, dass die Fabrikbesitzer, aber auch der Manager einer Vermittlungsagentur, großen Wert darauf legen:

1. Der Arbeitslohn für einen Tag ist zwar von der Leistungsfähigkeit eines jeden Arbeiters abhängig, aber man kann pro Tag etwa 350-500 RS verdienen, was etwa zwischen 5 und 7 Euro sind. Das ist für indische Verhältnisse nicht wenig, wenn man bedenkt, dass ein Reisarbeiter maximal 80 RS, also 1,20 Euro, verdient.

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2. Sind die Arbeitszeiten sehr gut: Um 9 Uhr morgens beginnt die Arbeit und es gibt drei Pausen, zwei kurze Teepausen und eine Mittagspause. Arbeitsende ist offiziell um 17 Uhr, man kann aber auch bis 21 Uhr arbeiten und somit mehr verdienen. Manchmal müssen auch Nachtschichten eingelegt werden, die um 1 Uhr nachts enden.

3. Sehr wichtig ist vor allem, dass die Arbeiter versichert sind. Das ist in Indien nicht üblich und sehr teuer, weshalb man die Arbeitsstelle als eine sehr gute bewerten kann.

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Alles in allem haben wir an diesem Tag sehr viel über Produktion und Vermarktung von Kleidung erfahren und endlich verstehen können, wie unsere Anziehsachen entstehen. Man muss an dieser Stelle aber auch betonen, dass wir uns die Produktion von einer Firma angeschaut haben, die “ethnical trade” unterstützt. Wer mehr darüber erfahren möchte, kann sich im Internet die verschiedenen Firmen durchlesen. Leider haben nur sehr wenige Firmen Interesse an guten Arbeitsbedingungen für die Arbeiter in Indien, Bangladesh, Kambodscha oder China, sodass unsere Kleidung meistens unter schlechten Umständen produziert wird.

Wir selbst wissen noch nicht genau, wie wir mit unseren neuen Kenntnissen umgehen sollen, da wir eindeutig zu wenig Einsicht in die Produktion bekommen haben, um darüber werten zu können. Aber wir hoffen trotzdem, dass wir mehr Menschen dazu anregen können darüber nachzudenken, wo man welche Kleidung, Schokolade oder Tee kauft und sich bewusst darüber zu sein, dass fairer Handel in einigen Fällen ziemlich viel bewirken kann.

 

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An dieser Stelle einen großen Dank an Mona, Lena und die Mädchen, die uns in ihrer Familie als “Sisters” aufgenommen haben und uns vier sehr schöne Tage bereitet haben, die wir so schnell nicht mehr vergessen werden. Vielen Dank auch an den Director Sir von NMCT, da wir ohne seine Zustimmung niemals diese tolle Erfahrung gemacht hätten und so viele neue Eindrücke hätten sammeln können!

Es grüßen euch aus dem warmen Indien eure Ronja und Johanna!

You are what you eat – Zur Zeit sind wir indisch


Viele fragen uns: “Wie geht es euch mit dem Essen? Was isst man eigentlich so in Indien? Mögt ihr das Essen?” und wir antworten meist mit “Indisches Essen schmeckt super und wir mögen es sehr, aber das ein oder andere Vollkornbrot vermissen wir schon.

Aber fangen wir erst mal mit dem Frühstück an:

In Indien gibt es drei warme Mahlzeiten am Tag- deshalb haben wir auch schon länger kein Vollkornbrot oder Müsli am Morgen gegessen, sonder greifen auf warme, zwiebel- und knoblauchhaltige Speisen zurück. Und obwohl sie sehr lecker sind- auch nach vier Monaten haben wir uns noch nicht so ganz an das warme Frühstück gewöhnt und genießen das Essen mehr, wenn wir es abends serviert bekommen.

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Poori und Kurma

Zum Mittagessen gibt es jeden Tag Reis- ohne Ausnahme! Dazu gibt es meistens Sambar, was man sich ähnlich wie einen Eintopf vorstellen muss. Außerdem wird oft eine Mischung von verschiedenen Gemüsesorten und Kokusnuss angebraten und ein bisschen Appalam (ein Brot, was schmeckt wie Pommbären)

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Zum Abendessen gibt es eigentlich das gleiche wie zum Frühstück. All diese Speisen werden “Tiffen” genannt, dazu gehören Idly, Dosai, Poori und Chappathi und werden selbstverständlich mit der rechten (!) Hand gegessen. Kleines Geheimnis: In unserer Wohnung essen wir aber meistens mit Löffeln…

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Dosai und Wheatdosai jeweils mit Tomato- oder Coconut-chutney

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Und wenn wir das alles nicht mehr sehen können: Dann greifen wir einfach auf unsere Bibliothek an Tütensuppen zurück, die wir dank unserer Lieben zu Hause aufgebaut haben und uns regelmäßig daran erfreuen.

Wir wünschen euch einen guten Appetit!

Johanna und Ronja

Mittwoch, 18. Januar 2012

Hier noch ein Nachtrag der Karl Kübel Stiftung


Die Karl Kübel Stiftung ruft zu Spenden auf, um die Nothilfe vor Ort zu unterstützen. Unterstützen Sie uns dabei, den betroffenen Menschen zu helfen:
Empfänger : Karl Kübel Stiftung
Spendenkonto: Stichwort WIRBELSTURM THANE
Sparkasse Bensheim
BLZ 509 500 68
Kontonummer 50 50 000

Herzlichen Dank!

Es tut sich was!


Allem voran möchten wir uns gleich am Anfang für Eure große Anteilnahme und das Interesse bedanken, welches Ihr uns trotz der Entfernung am Zyklon Thane gezeigt habt. Es tut gut, zu wissen, dass es zu Hause Menschen gibt, die sich dafür interessieren was hier passiert und uns sehr liebe und aufbauende Worte geschrieben haben.

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Es sind jetzt knapp drei Wochen vorüber, seitdem das Unwetter über Pondicherry und Region gewütet hat, die Spuren der Verwüstung sind immer noch sichtbar, werden aber langsam immer weniger.

Der Schock vom Anfang hat sich gelegt, nach vier Tagen hatten wir wieder Strom und Wasser in der Wohnung und Pondicherry ist auch wieder zum Alltag zurück gekehrt. Man sieht die Verwüstung auf den Straßen zwar immer noch, durch die umgestürzten Bäume sieht die Stadt ziemlich kahl und grau aus, doch das Leben geht ganz normal so weiter wie sonst auch.

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Diese Kinder haben Hilfsmittel der Karl Kübel Stiftung erhalten

- So ist der Zustand in der Stadt. Doch auf dem Land und in der Gegend um die Stadt “Cuddalore” sieht es nach wie vor sehr wüst aus. Letzten Samstag sind wir dort in einen einstündigen Stau geraten, weil die Dorfbewohner gemeinsam demonstriert haben: Sie haben noch immer keinen Strom!

Am Montag, den 16. Januar sind wir gemeinsam mit unserem Director Sir und zwei Mitarbeitern von REAL in zwei betroffene Dörfer in der Nähe von Cuddalore gefahren um Hilfgüter zu verteilen, welche durch Spenden der Karl Kübel Stiftung finanziert wurden.

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Auch, wenn es auf dem Foto nicht so scheint, die Kinder haben sich sehr über die Spenden gefreut. In Indien lacht man auf Fotos nicht gerne.

Am Tag zuvor sind Mitarbeiter in die Dörfer gefahren um die Familien zu treffen um mit ihnen zu besprechen, was am meisten benötigt wird, um wieder zurück in ein normales Leben zu finden. Nach einigen Besprechungen war das Ergebnis klar: Neue Rucksäcke, Hefte und Stifte werden benötigt, damit die Kinder weiterhin ihre Schulbildung absolvieren können. Für die 0-5 Jährigen wurde ein Hygiene-Paket bereit gestellt.

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In einer teilweise etwas chaotischen, aber erfolgreichen Verteilungsaktion haben wir dann als Repräsentanten der Karl Kübel Stiftung die Hilfgüter verteilt. Die Dorfbewohner waren sehr glücklich über die Hilfe und haben nun Hoffnung, dass sie in Zukunft wieder ein geregeltes Leben führen können. Dennoch, der Normalzustand ist noch lange nicht erreicht- Hausdächer sind teilweise abgedeckt, die Menschen haben einiges an Hab und Gut verloren.

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Auf der Homepage der Karl Kübel Stiftung http://www.kkstiftung.de gibt es einen weiteren Bericht über die Katastrophe und auch die Möglichkeit, die Menschen vor Ort finanziell zu unterstützen.

Wir freuen uns schon, euch bald wieder erfreulichere Nachrichten aus unserem Leben als Freiwillge zu schicken.

Alles Liebe,

Eure Johanna und Ronja

Dienstag, 3. Januar 2012

Der Versuch, das zu beschreiben was nicht zu beschreiben ist


Es ist schwer die passenden Worte zu finden, zu erklären und zu beschreiben wie es ist, wenn man hautnah eine Naturkatastrophe miterlebt. Wenn man nicht vor dem Bildschirm sitzt und den Kanal wechseln kann. Wir sitzen dieses Mal nicht im Sessel vor dem Fernseher, wir stehen in Häusern ohne Dächer und klettern über umgestürzte Bäume. Dieses Mal können wir die Mattscheibe nicht ausschalten, wir können allenmals blinzeln.

Es ist der 02.01.2012 und es sind vier Tage vergangen, seitdem der Zyklon „Thane“ über Pondicherry und Umgebung gefegt ist. Nur langsam erschließt sich das Ausmaß der Katastrophe, Tag für Tag neue und schreckliche Bilder.
Es fing Donnerstag Nacht an, gegen elf Uhr fiel der Strom aus, so weit nichts Ungewöhnliches für Indien. Wir wurden über die Wettervorhersage informiert und schlafen ein, doch schon nachts werden wir wach von den zahlreichen Schlägen und krachenden Bäumen und bemerken, dass unsere Wohnung zum Teil unter Wasser steht.

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Das war der Blick aus unserer Haustür am Freitagmorgen.

Den folgenden Tag müssen wir gezwungenermaßen im Apartment verbringen. Die Straßen stehen bis knöcheltief unter Wasser und es regnet und stürmt weiterhin. Auch der Strom bleibt fern, sodass nach einiger Zeit auch kein fließendes Wasser mehr zur Verfügung steht. Waschbecken, Dusche und Toilette werden zu Luxusartikeln und man verzichtet, wo es nur geht.
Zunächst haben wir noch unseren Spaß am Lesen und am Filmegucken, doch schon bald hat der Laptop keinen Akku mehr, die MP3- Player- Batterie neigt sich dem Ende zu und auch per Handy ist man irgendwann nicht mehr zu erreichen. Ab sechs Uhr abends wird es dunkel und mit einer einzigen Kerze lässt es sich auch leider auch nicht mehr lesen.
Kurz und knapp, uns begegnet vorallem eins: Langeweile.

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Auch am zweiten Tag keine Verbesserung: Wir bleiben fast den ganzen Tag im Haus.
Abends dann doch ein Versuch ins Office zu kommen, auch dort kein Strom. Auf dem Weg dahin trauen wir unseren Augen nicht. Die ältesten und schönsten Bäume Pondicherry‘s wurden durch den Sturm entwurzelt, Reklame liegt in Fetzen auf der Straße und das Verwunderlichste: Fast niemand ist unterwegs, die Stadt scheint menschenleer, alles suchen den Schutz des eigenen Hauses.

Am darauf folgenden Tag sehen wir noch mehr umgefallene Bäume, größeres Chaos, zerstörte Infrastruktur und weiterhin ist kein Strom und kein Wasser in Sicht.

Am vierten Tag nach dem Unwetter klopft es morgens gegen 5 Uhr heftig an unsere Tür. Wir begreifen nicht was passiert, sind im Halbschlaf und öffnen die Tür. Unsere Aunty und Alphons, die Nachbarn sagen uns, dass wir sofort aus dem Haus kommen sollen. Wir verstehen nicht warum, beeilen uns aber und auf der Straße werden wir informiert: Es soll ein Erdbeben geben. Wir sind völlig geschockt und wissen nicht, wie wir reagieren sollen, denn in Deutschland sind wir nicht mal annähernd solchen Problemen begegnet. Wir sitzen mit den Nachbarn auf der Straße, warten ab, es ist dunkel, nichts passiert. Immer mal kommt einer der Nachbarsjungen und versucht Informationen zu überbringen. Nach schätzungsweise einer halben Stunde der Ungewissheit stellt sich heraus, dass es zum Glück eine Fehlwarnung war und das Erdbeben in Japan und nicht in Indien stattgefunden hat. Wir sind erleichtert und können uns noch mal für ein paar Stunden hinlegen.

Gegen Mittag wurden die Highways rund um Pondicherry größtenteils geräumt, der Weg nach Cuddalore, in die am stärksten betroffene Region ist frei und zusammen mit zwei REAL- Mitarbeitern fahren wir in Fischerdörfer, um die Lage zu sehen und zu dokumentieren.

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Die festen Häuser haben den Zyklon weitesgehend unbeschadet überlebt, die Mehrheit der Fischer leben allerdings in Strohhütten, welche dem Sturm nicht standhalten konnten.

Wir kommen an und wir wissen nicht, wo man mit Hinsehen anfangen soll: Bei den umgefallenen Strommasten? Bei den von Bäumen zertrümmerten Häusern? Bei den weggewehten Strohhütten? Oder bei den unzähligen Fischerbooten, die durch die Wellen ins Landesinnere geschwemmt wurden und an den Palmen zerschellt sind? Selbst als wir über Baumstumpfe klettern und uns wegen der tief hängenden Stromkabel bücken müssen, verstehen wir nicht, was vor sich geht.

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Die gesamte Strom- und Wasserversorgung rund um Cuddalore ist zusammengebrochen.

Es kommen klagende Frauen mit eingefallenen Gesichtern auf uns zu, welche mit wilden Gesten und aufgeregten Stimmen auf uns einreden: Sie haben nichts zu Essen, kein Trinkwasser und kein Strom. „Was könnt ihr für uns machen?“, fragen sie uns, und wir haben keine Antwort. Wir wissen es nicht.

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Zyklon “Thane” hat ein zerstörtes Paradies hinterlassen.

IMG_2595 (800x534)Die Szenerie ist irreal, ein Traumstrand mit Palmen, Sonnenschein und Meeresrauschen und unter den Palmen Fischer, die auf ihren zerstörten Booten sitzen und nicht wissen, was sie tun sollen. Ihre Existenz ist zerstört, sie haben nichts, womit sie Geld verdienen können und die Familie ernähren können. Sie wissen nichts mit der Zeit anzufangen, sie sitzen im Schatten und spielen Karten, die Kinder turnen auf den Bootsruinen herum.

Eine Frau bittet uns in ihr Haus, keine Hütte, sondern ein besseres Haus aus Stein. Die Ziegeln sind abgedeckt, es gibt kaum noch Möbel, alles liegt im Schutt vor dem Eingang.

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IMG_2613 (534x800)Und wir, als Freiwillige, wir laufen durch dieses Chaos. Wir sind fassungslos und schweigen zumeist. Wie soll man das erklären? Wir wissen doch nur allzugut von zu Hause, wie es ist wenn man in den Nachrichten von Naturkatastrophen erfährt: Es ist schrecklich, aber es ist weit, weit weg – viel zu weit für unsere Vorstellungskraft.
Es ist schmerzhaft zu erfahren, welche Hoffnung die Menschen in uns sehen. Sie glauben wir haben Geld für sie, wir können ihnen unmittelbar helfen. Aber alles was wir machen können sind Fotos machen und zu versuchen das einzufangen, was wir mit Worten nicht beschreiben können.

Das Schlafzimmer hat kein Dach mehr, alles Ziegel sind heruntergefallen, und trotzdem muss das Leben weitergehen.

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Das ist alles, was die Menschen noch aus den Trümmern ihres Hauses retten konnten: Ein paar Kleider, Schlafmatten und ein Fernseher.

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Es ist die einzige Art und Weise, wie die zerstörten Strommasten noch sinnvoll genutzt werden können: Um die Kleidung zu trocknen, die durch die Regenfälle komplett durchnässt wurden.

Als wir uns nach dem Ausflug dann die Bilder ansehen, sind wir enttäuscht. Es ist einfach nicht begreifbar, lediglich ein paar Pixel, welche nicht annähernd ausdrücken, was wir eigentlich erlebt haben. Und selbst ein Buchband könnte vermutlich nicht beschreiben, was wir am heutigen Tag erlebt haben. Warum wird darüber in Deutschland nicht berichtet? Glaubt uns überhaupt jemand, wenn wir das erzählen? Wie macht man das Geschehene begreifbar? Man will den Menschen zu Hause erzählen, was man erlebt hat- aber egal wie lange man erzählt und beschreibt, der Andere versteht es nicht. Es ist frustrierend aber es ist niemandem übel zu nehmen und man resigniert.

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In solchen Momenten ist man froh, das man das alles nicht alleine erlebt, sondern dass man einen Partner hat, der das Gleiche sieht und fühlt und mit dem man noch lange über das reden kann, was sich sonst wohl niemand so wirklich vorstellen kann.