Freitag, 24. Februar 2012

Die Frage nach dem Sinn


Das “weltwärts”- Programm der Bundesregierung steht des Öfteren in der Kritik. “Zu viel Geld für zu wenig Ergebnis”, “unausgebildete Arbeitskräfte im Ausland sind keine Entwicklungshilfe” oder auch “Tourismus auf Kosten der Steuerzahler” wird das Programm teilweise genannt. IMG_2758 (1024x684)

Unser Auslandsaufenthalt als “weltwärts”- Freiwillige neigt sich jetzt dem Ende zu und wir kommen nicht drumherum uns Gedanken um den Sinn unseres Freiwilligeneinsatzes zu machen.

Was hat es gebracht?
War es das Richtige für mich?
Ist das was ich bewirkt habe nachhaltig?


Der heutige Blogeintrag soll sich mit diesem auch etwas brisanten Thema beschäftigen.

Wir leben jetzt seit Anfang September in Indien, insgesamt sind das sieben Monate, die wir im Projekt verbracht haben. Die ersten zwei Monate waren besonders aufregend, ungewohnt und teilweise auch sehr anstrengend. Wir wurden mit Herausforderungen konfrontiert, mit denen wir in Deutschland unter normalen Umständen wohl nicht zu tun gehabt hätten. Da wären Schimmel, kaputte Toiletten und im Januar ein Zyklon und ein 4-tägiger Strom- und Wasserausfall.

Was war eigentlich unsere Absicht?

IMG_2809 (684x1024)Es ist wahr, dass wir die Welt nicht retten können indem wir für sieben Monate ins Ausland gehen, und auch “helfen” tun wir in Indien nicht wirklich. Unser Verständnis ist, dass wir hier sind, um etwas anderes von der Welt zu sehen, einen Blick über den Tellerrand zu wagen, und das nicht als Tourist zu tun, sondern intensiver als bei einem Urlaub.
Und vorallem war uns wichtig, dass wir das, was wir gesehen haben, mit nach Deutschland nehmen. Wir wollen unsere Erfahrungen teilen und zeigen, dass wir uns nicht vor der großen weiten Welt verschließen sollten, sondern immer mit offenen Augen leben sollten.


Was taugen Abiturientinnen als Englischlehrerinnen?

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Wir sind keine ausgebildeten Lehrerinnen, das geben wir zu. Und uns passieren leider auch immer mal wieder kleine Fehler im Englischunterricht. Trotzdem sind wir dank der kreativitätsfördernden Erziehung unserer Eltern und Lehrer in der Lage uns immer wieder neue  Ideen und Methoden für den Englischunterricht auszudenken und abwechlungsreich  zu unterrichten.
Im Unterricht ist uns nach einiger Zeit aufgefallen, dass viele Kinder überhaupt nicht Englisch schreiben oder lesen können (die Regionalsprache hier ist Tamil und hat auch eine andere Schrift). Auch wenn es schwierig war, diesen Umstand so hinzunehmen, mussten wir doch einsehen, dass wir es nicht schaffen würden in diesen sieben Monaten und mit ungenügenden Tamilkenntnissen den Kindern das Lesen beizubringen.

Unsere Messlatte musste also um ein ganzes Stück nach unten gesetzt werden. Nachdem wir das getan hatten, konnten wir uns aber auch einigermaßen stolz auf die Schulter klopfen und sagen:
Diejenigen, die nicht lesen können, trauen sich jetzt wenigstens, mit ihrem Englisch zu kommunizieren. Und wir haben bei einigen Kindern miterlebt, wie sie über längeren Zeitraum eine unglaubliche Freude an der Englischen Sprache und an unseren verschiedenen Lehrmethoden gefunden haben.

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Wir hoffen, dass selbst wenn wir nicht mehr da sind, die Begeisterung für eine fremde Sprache bestehen bleibt. Als Mona und Lena uns zum Beispiel besucht haben, haben sich die Kinder riesig gefreut, dass sie ihr Englisch ausprobieren konnten.

Wir als Kulturvermittler?
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Egal wo man in Indien ist, man wird immer und immer wieder gefragt, wie wir die “Indian Culture” finden. Das Wort “Culture” haben wir in unserem Leben noch nie so oft gehört, es war uns noch nie so präsent, aber irgendwie wissen wir immer noch nicht was das ist, die “Culture”.

Aber auch wir wollten nicht nur die neue Kultur absorbieren sondern auch zeigen, wie wir das Leben kennen und was wir denken. Deshalb sind wir zu Profi-Seiltänzern geworden, die sich angemessen und höflich verhalten wollen, die aber auch ihre eigene Meinung zum Thema Kinder schlagen, arrangierte Ehen und Effizienz haben und das auch ansprechen, wenn nötig.

Sind wir nachhaltig?

Die wohl größte Frage ist die Nachhaltigkeit. Was passiert, wenn wir weg sind? In der Tuition class, in der wir unterrichten gibt es zwar eine sehr liebe Lehrerin, aber Englisch ist nicht unbedingt ihre Stärke. Was bringt dann die Motivation der Kinder, Englisch zu lernen, wenn sie nicht weiter machen können?

Diese Gedanken machen uns teilweise sehr traurig, aber ändern lässt sich wohl daran nichts. Obwohl nächstes Jahr neue Freiwillge in unser Projekt kommen werden, werden sie in eine andere Schule gehen und nicht bei unseren Schülern weiter machen.

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Ein kleines Trostpflaster ist in diesen Momenten, dass wir sehr viel Anerkennung für unsere Lehrmethoden, Spiele und Lieder bekommen haben. Wir haben sogar schon einen Vortrag darüber gehalten und 35 Tuition class- und Bridge-School- Teacher darüber informiert. Wir hoffen, dass sie den Kindern weiterhin Zeit zum Spielen und Kindheitgenießen geben und sie angemessen fördern.

Und über all dem steht, dass wir durch unsere Anwesenheit und unser Verhalten hoffentlich gezeigt haben, dass wir auf einer Augenhöhe mit den Menschen hier sind. Wir wollten nicht als Besserwisser hier her kommen. Wir finden bei Weitem nicht alles gut, was sie machen, aber wir akzeptieren es. Die indische Kleidung, die wir hier tragen, soll zeigen, dass wir sie respektieren und schätzen, dass wir ihr Essen essen, dass wir bei ihren Feiertagen mitmachen und ihre Sprache (versuchen) zu lernen.

Fazit?
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Uns persönlich hat dieser Auslandsaufenthalt sehr viel gebracht und wir beide wollen ihn nicht missen. Wir hatten das Gefühl zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und dort auch gebraucht zu werden und wilkommen zu sein.
Entgegen der Meinung, dass “weltwärts” Tourismus auf Kosten der Steuerzahler ist können wir sagen: Bei uns nicht! Und vor allem bei der Karl- Kübel- Stiftung nicht, die uns unglaublich gut vorbereitet und betreut hat. Wir haben viel gearbeitet und reisen jetzt erst am Ende unserer Zeit herum.
Natürlich, in Indien wird anders gearbeitet als in Deutschland, aber wir haben unser Bestes gegeben und wir sind zufrieden mit dem, was wir den Menschen, die Zeit mit uns verbracht haben, mitgegeben haben.


In diesem Sinne: Vielen Dank an alle, die uns diesen Auslandsaufenthalt ermöglicht haben, wir sind daran sehr gewachsen.

Eure Johanna und Ronja

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